Als Gouvernementalität hat Michel Foucault die Formalisierung jener Form politischer Regierung bezeichnet, die für die westlichen, kapitalistischen Demokratien spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das verbindliche Modell politischer und ökonomischer Steuerung und Führung darstellt. Diese (neo-)liberale Gouvernementalität zeichnet sich, so Foucault, durch einen weitestgehenden Verzicht auf Gewalt und Zwang sowie eine Verabschiedung des Staates als zentraler Machtinstanz aus. Als „Führung von Selbstführung“ operiert sie vielmehr auf Basis und in Abschöpfung von individueller Freiheit. Sie regiert indirekt, lässt Verhalten wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher werden, indem sie auf die vermittelnden Bedingungen individuellen Handelns, nicht auf dieses selbst einwirkt.Haben Foucaults Thesen zur kontemporären Gouvernementalität in der Soziologie sowie in den Cultural Studies weiten Nachhall, etwa in der Etablierung der Governmentality Studies, erfahren, so ist eine medienwissenschaftliche Bezugnahme auf die Gouvernementalitätstheorie bislang allenfalls fragmentarisch erfolgt. Dies liegt unter anderem daran, dass Foucault selbst keine systematische Perspektive auf Medien und Medialität erarbeitet – eine Theorie medialer Gouvernementalität muss daher mit Foucault über Foucault hinaus erarbeiten, wie mediale Prozesse und Verfahren im weitesten Sinne (Medialität) Bestandteil der Rationalität des Regierens sind sowie die Rolle von Medien im engeren Sinne für die Gouvernementalität der Gegenwart erörtern.Das Seminar soll auf Basis intensiver Lektürearbeit einerseits sowie explorativer Analyse medialer Prozesse und Phänomene andererseits das Problemfeld einer medienwissenschaftlichen Theorie der Gouvernementalität erschließen. Dabei werden zunächst die maßgeblichen Thesen Foucaults sowie der an ihn anschließenden Governmentality Studies (u.a. Rose/Miller, Lemke) erarbeitet. Im Anschluss erfolgt eine problematisierende Sichtung bestehender Übertragungsversuche auf die Medientheorie (Schneider, Stauff, Balke/Muhle, Sieber, Traue), die anhand einzelner Fallbeispiele – Fernsehen (McCarthy, Hartley, Seier), Digitalmedien (Engemann, Langlois) und Computerspiel (Günzel, Böhme/Nohr/Wiemer) analytisch plausibilisiert werden sollen.