Die heutige Welt stellt sich als ein Zusammenhang von Vermittlungsvorgängen technischer, ästhetischer und sozialer Art dar. Die Erforschung dieses komplexen und dynamischen Zusammenhangs in seiner geschichtlich gewachsenen und gegenwärtig vor allem durch vernetzte Digitalgeräte geprägten Eigenart macht einen multiperspektivischen Zugriff auf medienkulturelle Phänomene nötig, der verschiedene theoretische wie methodische Instrumente miteinander kombiniert.
Medienkulturwissenschaft erfordert erstens ein nicht-technizistisches Verständnis von Medientechnik: Technische Verfahren, Apparate und Infrastrukturen (z.B. Computersimulation, Smartphone, Internet) lassen sich zum einen als materielle Bedingungen geteilter Wahrnehmungsformen und sozialen Sinns bestimmen. Zum anderen sind sie selbst historische Produkte gesellschaftlicher Entwicklungen und Aushandlungen, die selbst immer erst stabilisiert werden müssen. Medienkulturwissenschaftliche Technikforschung bezieht daher die Methoden der Historischen Diskursanalyse und der Medienarchäologie mit ein.
Medienkulturwissenschaft setzt zweitens ein Verständnis von Medienästhetik voraus, das ästhetische Formen (etwa dreidimensionale Bilder, Animationskino, TV-Serien, grafische Benutzeroberflächen) zum einen auf die medialen Bedingungen ihrer technischen wie sozialen Hervorbringung zurückführt, sie zum anderen aber auch als kreative Auseinandersetzungen mit eben diesen Bedingungen begreift. Aus medienästhetischer Perspektive ist insbesondere mit Methoden der Form- und der Diskursanalyse zu zeigen, wie visuelle und auditive Inszenierungsweisen und Darstellungen je eigene Arten des Wahrnehmens, Wissens und Bedeutens begründen, die wiederum auf die gesellschaftlichen und technischen Strukturen ihrer Ermöglichung zurückwirken.
Medienkulturwissenschaft impliziert drittens ein medientheoretisch fundiertes Verständnis von Mediengesellschaft: Gesellschaftliche Machtstrukturen – nicht zuletzt ökonomischer Art – besitzen einerseits eine herausragende Prägekraft sowohl für die Entstehung und Formung medienkultureller Gegenstände und Phänomene als auch für den Zugriff auf und Gebrauch von Medien. Andererseits sind soziale Verhältnisse selbst das Resultat unterschiedlicher Vermittlungsleistungen und -vorgänge (etwa des Geldes). Eine neo-kritische medienkulturwissenschaftliche Perspektive auf Gesellschaft nutzt daher die Bestände materialistischer und (wert-)kritischer Gesellschafts- und Medientheorien.
Medienkultur ist das Dreieck der wechselseitigen Bezüge dieser Pole, die wir in unserer Forschung und Lehre bearbeiten. Medienkulturwissenschaft geht dabei über die Ansätze traditioneller, auf begrenzte Gegenstandsfelder wie Literatur und Kunst fixierter Disziplinen theoretisch wie methodisch hinaus, indem sie die medialen Bedingungen der Gegenwart auch in materiellen, technischen, ökonomischen und populärkulturellen Phänomenen beobachtet, kritisch durchdringt und reflektiert. Medienkulturwissenschaftlich denken bedeutet somit, der Komplexität und Dynamik der Vermittlungszusammenhänge unserer Welt, der medialen Kondition im 21. Jahrhundert Rechnung zu tragen.