3D. Technikgeschichte, Theorie und Ästhetik des transplanen Bildes
Jens Schröter
Jeder hat schon mal eine Stereoskopie oder eine Holographie gesehen –
und sich über den seltsamen räumlichen Eindruck dieser Bilder
gewundert. Doch was ist die Geschichte der ‚dreidimensionalen Bilder‘?
Wo kommen sie her, welche Funktionen hatten sie und warum sind sie kaum
Gegenstand der kunst- wie medienwissenschaftlichen Forschung?
Die
erste These ist, dass es in den bisherigen historischen Darstellungen
der Geschichte optischer bzw. visueller Medien einen blinden Fleck
gibt: nämlich die mangelnde Berücksichtigung dessen, was zunächst in
aller Vorläufigkeit die Geschichte des technisch-transplanen Bildes
genannt werden soll. Diese beginnt im 19. Jahrhundert und resultiert in
einer Reihe sehr verschiedener technischer Bildformen (Stereoskopie,
Fotoskulptur, integrale Fotografie, lentikulare Bilder, Holographie,
Volumetrie und einer Reihe von Unter- und Mischtypen). Diese haben
gemeinsam, mehr Informationen über den Raum bzw. die räumliche Struktur
der Objekte zu liefern als die auf verschiedene Weise letztlich noch
immer linearperspektivisch projizierten Bilder der (analogen wie
digitalen) Fotografie. Sie liefern aber auch mehr oder auf andere Weise
Informationen über den Raum oder die räumliche Struktur der Objekte als
die serialisierten Bilder des Films, des Videos und des Fernsehens. In
dieser Hinsicht übertreffen sie auch einerseits die am perspektivischen
Paradigma orientierten Formen der Computergrafik, um andererseits
selbst in andere transplane Formen des computergenerierten Bildes
miteinbezogen zu werden. Dabei wird als zweite These ein alternativer
methodischer Zugang vorgeschlagen – in Absetzung von Jonathan Crarys
breit rezipierter Studie Techniques of the Observer. Crarys Studie ist
deswegen ein naheliegender Ausgangspunkt, da er sich als einer der
wenigen intensiv mit dem ältesten ‚dreidimensionalen Bild‘, der
Stereoskopie, auseinandersetzt. Genauer: Er versucht sie in eine
Geschichte verschiedener ‚Optiken‘ einzuordnen. Er ist der Einzige, der
das bislang versucht hat – ja, er ist der einzige, der die Geschichte
optischer Medien überhaupt entlang der Optik zu strukturieren versucht
hat. Daran wird angeschlossen. Nicht gefolgt wird jedoch seinem
Konzept, eine sukzessive und exklusive Abfolge von Optiken anzunehmen.
So soll die Geschichte der technischen Bilder im 19. und 20.
Jahrhundert und mithin des modernen Sehens, sofern es von technischen
Bildern formiert und angeleitet wird, als eine Schichtung ebenso
gleichzeitiger wie verschiedener Formen des optischen Wissens begriffen
werden. Die transplanen Bilder werden im 20. Jahrhundert für diverse
Praktiken – die militärische Luftaufklärung, die Arbeitswissenschaft,
die Naturwissenschaften, die Medizin etc. – immer wichtiger, eben weil
sie mehr Rauminformation liefern können. Überdies hinterlassen sie auch
im weitläufigen Gelände der Kunst ihre Spuren.