Feld und Labor sind zwei in gewisser Hinsicht entgegengesetzte Ideale empirischer Forschung. Sie markieren jeweils das Ende eines Kontinuums, das sich durch die Gradierung und Degradierung von Kontrolliertheit, Zurichtung oder Unberührtheit auszeichnet: Laborbedingungen könnte man demnach als den Zustand absoluter Kontrolle zum Zwecke der Forschung fassen, während das Feld den unzugerichteten, unberührten Gegenstand präferiert. Dabei spielen Medien eine entscheidende Rolle: Mal sollen sie im Labor die präzise Kontrolle des Forschungsgegenstands ermöglichen, mal sollen sie im Feld dafür sorgen, dass ForscherInnen mit ihren Aufzeichnungen das Feld so wenig wie möglich verändern.
In der Empirie kann man sich an solchen Idealen nur regulativ orientieren: Als Ideale sind sie unerreichbar, sollen aber gleichzeitig angestrebt werden. Der nicht ganz ideale Bereich, in dem Forschung dann tatsächlich stattfindet, ist dabei nicht notwendigerweise problematisch. Denn wie etwa die Laboratory Studies gezeigt haben, kann Kontamination im Labor Quelle von Innovation sein.
Diese Ausgabe der Navigationen geht der Trias aus Feld, Labor und Medien nach, in der Medien in manchen Fällen Ursache und in anderen Lösung des Problems der Unerreichbarkeit empirischer Ideale sind. Dies nehmen die Autorinnen und Autoren anhand empirischer Beispiele aus ihren Dissertations- und Habilitationsprojekten vor, die sie am DFG-Graduiertenkolleg Locating Media an der Universität Siegen verfolgen.
Inhalt
Raphaela Knipp, Johannes Paßmann, Nadine Taha: Einleitung.
Anna Brus: Laboratorien kultureller Ausdrucksformen. Das Eigene und das Fremde im Vergleich.
Juri Dachtera: Technische Unterstützung einer »Scientific Community« als Design Case Study.
Anja Dreschke: Herumlaborieren. Reenactment in der frühen Ethnologie und im Hobbyismus.
Katja Glaser: Passagen. Eine Street Art-Tour mit dem Smartphone.
Raphaela Knipp: Vom Text zum Feld? Zur Rolle ethnographischer Ansätze in der Literaturwissenschaft.
Matthias Meiler: Geoberg.de – ein wissenschaftlicher Weblog. Kommunikationsform und institutionelle Position.
Ilham Messaoudi: Die Mediatisierung des Feldes und des Labors in der linguistischen Gestenforschung. Zur Rolle technischer Aufzeichnungsmedien in der Datenerhebung.
Johannes Paßmann: Forschungsmedien erforschen. Über Praxis mit der Daten-Mapping-Software Gephi.
Annika Richerich und Pablo Abend: »Bring Tent«. Laboratorien des Protests.
Cornelius Schubert: Die Laboratorisierung gesellschaftlicher Zukünfte. Zum Verhältnis von Labor, Feld und numerischen Prognosen sozialer Dynamiken.
Nadine Taha: Die Wettermacher als Grenzgänger. Zur industriell-militärischen Geschichte der Wettermanipulation.
Judith Willkomm: Feldstudien über Feldstudien. Ein wissenschaftshistorischer Rückblick mit medienwissenschaftlichem Ausblick.