Im Jahr 1967 veröffentlichte Jacques Derrida bei drei angesehenen Pariser Verlagen drei Bücher – De la grammatologie, L’écriture et la différence und La voix et le phénomène –, in denen er eine neue Art und Weise philosophischer Textarbeit vorstellte: Dekonstruktion. Das von Derrida propagierte »nicht abschließbare und nicht vollständig formalisierbare Ensemble von Regeln des Lesens, Interpretierens und Schreibens« (wie er selbst es einmal nannte) sollte sich als ungeheuer erfolgreich erweisen. Vermittelt vor allem über die Rezeption Derridas in der US-amerikanischen Literaturwissenschaft wurden dekonstruktive Lektüren und Interpretationen bald zum unverzichtbaren Instrument im analytischen Werkzeugkasten der Geistes- und Kulturwissenschaften. Gerade auch die Genese des jüngeren medienwissenschaftlichen Denkens ist ohne den Einfluss Derridas nicht vorstellbar, gab dessen Fundamentalkritik an Konzepten wie ›Zeichen‹, ›Sprache‹ und ›Schrift‹ den Autorinnen und Autoren der ersten Stunde doch entscheidende theoretische Anstöße. Seit geraumer Zeit jedoch ist in medienwissenschaftlichen Debatten kaum noch die Rede von Derrida. Dekonstruktion scheint sich als Projekt intellektuell wie politisch erledigt zu haben. Die heutige Generation der Studentinnen und Studenten erfährt davon, wenn überhaupt, eher am Rande oder aus Einführungs- und Überblickswerken. Angesichts der derzeitigen diskursiven Abwesenheit der Dekonstruktion (einer vielleicht gespenstischen Abwesenheit, die Platz für Heimsuchungen lässt), nehmen wir das fünfzigjährige Jubiläum von Derridas annus mirabilis 1967 zum Anlass, uns an den Anfang der Dekonstruktion und an die Neuanfänge, die sie dem Denken ermöglicht hat, zu erinnern.
Es referieren Gregor Kanitz, Natalie Binczek, Christoph Ernst und Uwe Wirth.
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