In der deutschsprachigen Mediengeschichtsschreibung zeigt sich seit geraumer Zeit eine starke Tendenz hin zu Untersuchungen, die kleinere Zeiträume und eng eingegrenzte Gegenstände behandeln. Großangelegte mediengeschichtliche Darstellungen finden sich vor allem noch in für Studienanfängerinnen und -anfänger gedachten Einführungs- und Überblickswerken (bspw. Werner Faulstichs sechsbändige Mediengeschichte). Fachgeschichtlich gesehen markiert dies eine deutliche Abwendung von den vielbeschworenen Anfängen der modernen kulturwissenschaftlichen Medienhistoriografie etwa bei Harold A. Innis (Empire and Communications), Marshall McLuhan (The Gutenberg Galaxy) oder auch Friedrich Kittler (Aufschreibesysteme 1800 / 1900). Grund hierfür sind wohl hauptsächlich theoretische und methodische Verschiebungen im Fach und dessen Umfeld (Kulturtechnikforschung, ANT und STS, ›practical turn‹ u. a.), möglicherweise aber auch andere Umständen, wie etwa der hohe disziplinäre Innovationsdruck, der insbesondere den Nachwuchs dazu zwingt, immer neue, noch unbearbeitete Gegenstände und Fragestellungen zu präsentieren. Jedenfalls hat sich der Schwerpunkt mediengeschichtlicher Studien in den vergangenen Jahren auf die Mikroebene verlagert. Zwar haben in der Geschichtswissenschaft, die sich mit Alltagsgeschichte, Historischer Anthropologie und verwandten Richtungen bereits seit den 1970er und 1980er Jahren mikrologischen Analysen zugewendet hatte, unter den Schlagworten World History und Big History derzeit wieder die großen räumlichen und zeitlichen Maßstäbe Konjunktur. Und auch manche Vertreter der Medienwissenschaft forderten vor nicht allzu langer Zeit eine »universalhistorische« Perspektive. Im Vordergrund des medienhistorischen Interesses stehen heute aber weniger die Erforschung übergreifender medialer Strukturen und Prozesse, die Suche nach mediengeschichtlichen Gesetzmäßigkeiten oder die Beschreibung epochaler Medienumbrüche als vielmehr einzelne Fall- und Feldstudien, ›dichte‹ Beschreibungen partikularer Phänomene und Rekonstruktionen marginaler Objekte.
Der Workshop widmet sich dem theoretischen, methodischen und sachlichen Verhältnis von medienhistorischer Mikro- und Makroebene (um die Mesoebene bzw. Ansätze ›mittlerer Reichweite‹ zum Zweck der argumentativen Zuspitzung auszulassen). Leitfrage ist, wie die Spannung zwischen makro- und mikrologischen Ansätzen in der (Medien-)Geschichtsschreibung für medienwissenschaftliches Forschen fruchtbar gemacht werden kann. Wie soll das Verhältnis von Mikro- und Makroebene der historischen Betrachtung in der praktischen Arbeit gestaltet werden? Was ist die epistemische Reichweite kleinräumiger Studien und was leisten sie für übergreifende fachliche Fragestellungen? Welche fachliche Geltung haben die großen Entwürfe von Innis, McLuhan, Kittler u. a. heute noch und wie soll man an diese Arbeiten medienhistorisch anschließen? Wie lassen sich die Ergebnisse der Untersuchungen einer Ebene gewinnbringend in Vorhaben der anderen Ebene übersetzen? Wie können mikro- und makrologische Analysen zu einer gemeinsamen fachlichen Begriffs- und Theoriebildung beitragen? Welche Rolle spielen die neuen (medien-)technischen Möglichkeiten, die u. a. in den Digital Humanities diskutiert werden, auf der Mikro- und auf der Makroebene?
Im Mittelpunkt des Workshops steht die Diskussion. Die ReferentInnen leiten jeweils mit einem kurzen Thesenpapier und einem Impulsreferat ins gemeinsame Gespräch ein.
Elena Fingerhut: Die Adresse als Vermittlerin. Versuch der Verknüpfung von medienhistorischer Mikro- und Makroebene anhand des Konzeptes der Adresse
Gregor Kanitz: Zwischen Häutchen und Monument. Zäsuren einer Mediengeschichte der Personalität
Nadine Taha: Die orts- und situationsbezogene Erforschung von Medienpraktiken
Christina Vagt: Globaldesign
09:00 Begrüßung und Einführung
09:30 Beitrag/Diskussion ELENA FINGERHUT
10:30 Kaffeepause
11:00 Beitrag/Diskussion NADINA TAHA
12:00 Mittagspause
13:30 Beitrag/Diskussion GREGOR KANITZ
14:30 Beitrag/Diskussion CHRISTINA VAGT
15:30 Kaffeepause
15:45 Berichte aus der AG Mediengeschichte
16:45 Schluss
Aus organisatorischen Gründen bitten wir Gäste um eine Anmeldung. Bitte schicken Sie eine Nachricht an Till A. Heilmann (till.heilmann@uni-bonn.de).
Konzept und Organisation: Till A. Heilmann (till.heilmann@uni-bonn.de); Matthias Koch (mkoch@leuphana.de); Christian Köhler (koehlerc@msopb.de); Monique Miggelbrink (momi@mail.uni-paderborn.de)