Universität Siegen, Artur-Woll-Haus, Am Eichenhang 50, 57068 Siegen
29./30. April 2011
Konzeption: Thomas Hensel (Siegen) und Jens Schröter (Siegen)
Seit einigen Jahren hat die von Bruno Latour, Michel Callon, John Law, Madeleine Akrich und anderen vertretene Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) Konjunktur. Aus Laborstudien hervorgegangen rückt die ANT die Verflechtung von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren oder Aktanten in Netzwerken in den Mittelpunkt. Als Aktanten gelten ihr sämtliche Entitäten, denen ein Handlungspotential oder eine „agency“ zugeschrieben werden kann – „An actant can literally be anything provided it is granted to be the source of an action“ (Latour) –, so dass ein Pinsel oder ein Lichtbildprojektor ebenso wie ein Atelier oder eine Bibliothek genauso wie eine Artemisia Gentileschi oder ein Aby Warburg als ein solcher adressiert werden können.
Weil die ANT Subjekt und Objekt, Technik und Gesellschaft strikt symmetrisiert und damit auch die ‚Dinge‘ wieder zu ihrem Recht kommen lässt, wird sie gegenwärtig breit zum Beispiel in den Medienwissenschaften rezipiert. Neuere Publikationen haben zentrale Texte in deutscher Sprache verfügbar gemacht und differenzierte Diskussionen angestoßen (beispielsweise Belliger/Krieger 2006). Fragen nach denjenigen sozialen, technischen und natürlichen Aktanten, die an künstlerischen oder kunstwissenschaftlichen Prozessen beteiligt sind, spielen indessen in der Diskussion bislang kaum eine Rolle (wenige Ausnahmen u.a.: Latour 1998; Law/Benschop 1997; Yaneva 2003).
In Kunst- und Bildwissenschaft ist der Ansatz kaum rezipiert – und das, obwohl eine Reflexion der ANT wichtige, aber bisher vereinzelt auftretende Untersuchungen zu ‚Atelier‘ oder ‚Instrument‘ systematisch integrieren und eine Reihe interessanter Fragen mit sich bringen könnte:
Welches sind die Verbindungen menschlicher und nicht-menschlicher Aktanten, die ‚Kunstgeschichte‘ oder ‚Bildwissenschaft‘ ermöglichen? Sind künstlerische, etwa installative Schaffensprozesse mit denen wissenschaftlicher Forschung vergleichbar und also auch mit ethnographischen Methoden der Laborforschung zu analysieren? Kann man die Subjekt/Objekt-Dichotomien von ‚KünstlerIn‘ und ‚Wer k‘ oder ‚BetrachterIn‘ und ‚Werk‘ durch eine Beschreibung als Operationsketten ebenso unterlaufen, wie dies Latour für die Dichotomie von ‚WissenschaftlerIn‘ und ‚Welt‘ vorgeführt hat? Oder hat der Ansatz vielleicht prinzipielle Grenzen hinsichtlich der Prozesse und Objekte, die unter dem Signum ‚Kunst‘ zirkulieren? Kann die ANT ihrerseits von der Kunst, die immer schon mit Dingen, Akteuren, Netzwerken und Transformationskaskaden zu tun hatte, lernen?
Ziel des geplanten Workshops ist es nicht, sämtliche dieser Fragen zu beantworten; vielmehr geht es darum, das Verhältnis zwischen ANT und kunst- und bildwissenschaftlichen Fragestellungen entlang einzelner Fallbeispiele näherungsweise zu klären zu versuchen.
Belliger, Andréa/Krieger, David (2006), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld.
Benschop, Ruth/Law,John (1997), „Resisting Pictures: Representation, Distribution and Ontological Politics“, in: Hetherington, Kevin (Hg.), Ideas of Difference. Social Spaces and the Labour of Division, Oxford, S. 158-182.
Latour, Bruno (1998), „How to be Iconophilic in Art, Science, and Religion?“, in: Jones, C. A./Galison, Peter (Hg.), Picturing Science, Producing Art, New York, S.418-440.
Yaneva, Albena (2003), „When a Bus Meets a Museum: Following Artists, Curators and Workers inArt Installation“, in: Museum and Society, 1, 3, Nov. 2003, S. 116-131.
PROGRAMM
FREITAG, 29. April 2011
1400 Begrüßung/Einleitung
1415-1615
Christoph Neubert (Hagen)
Vom disegno zur Digital Materiality:
Operationsketten des Designs zwischen künstlerischer und technischer Vermittlung
Sabine Ammon (Basel)
Stärken und Schwächen der ANT im Architekturbüro: eine metatheoretische Analyse empirischer Fallbeispiele
Nicole Stöcklmayr (Weimar)
Entwurfslaboratorien der Architektur
PAUSE
1635-1755
Birk Weiberg (Zürich)
Das Studio-System als technisch-ästhetisches Akteur-Netzwerk
Rania Gaafar (Karlsruhe)
Material Specters – Überlegungen zu einerPhänomenotechnik des Films
PAUSE
1815-1935
Christian Berger (Mainz)
Von der Multiplikation der Bilder und der Akteure: Netzwerkstrukturen in Edgar Degas’ künstlerischer Praxis
Matteo Burioni (München)
Die Lanze als Akteur im Bildfeld
2030 GEMEINSAMES ABENDESSEN
SAMSTAG, 30. April 2011
0930-1130
Barbara Wittmann (Weimar)
Papierprojekte. Bruno Latour als Theoretiker des Entwurfs
Ann-Sophie Lehmann (Utrecht)
»A Network Has No Inside, No Outside and No Shadow«. Für eine Theorie des Materials in der Kunstgeschichte
Julia Gelshorn (Wien)
Zwischen den Dingen: Das Kunstwerk als Kontaktzone
PAUSE
1150-1350
Rachel Mader (Zürich)
Changing institutions, changing minds?
Thesen zur Interaktion zwischen Strukturen, Denken und Haltungen in der zeitgenössischen Kunst
Stefan Römer (Berlin)
Welche Rolle spielt Nachahmung für die Conceptual art? Was können wir kunsttheoretisch mit der Anwendung der Akteur-Netzwerk-Theorie Bruno Latourserreichen?
Ilka Becker (Braunschweig)
Die Agency der Krabbeltiere. Mark Dions Arbeiten zwischen Institutionskritik und künstlerischer Forschung
Diskutanden:
Joseph Imorde (Siegen) und ErhardSchüttpelz (Siegen)